Adolf-Grimme-Schule kämpft erfolgreich gegen zunehmende Gewalt

Deister Calenberger Land | 06. Mai 2024 | Mirko Haendel / HAZ / Calenberger Zeitung
Der Verein !Respect trainiert mit Schülern soziale Kompetenzen, Toleranz und gewaltfreie Konfliktlösungen
Stopp! Im Rahmen des „Social Skills“-Programms lernen die Kinder, wie sie sich gegen körperliche Gewalt und Respektlosigkeit wehren können: Auf dem Bild „ärgert“ ein Junge ein Mädchen, das diesen mit deutlichen Worten auffordert, damit aufzuhören
Stopp! Im Rahmen des „Social Skills“-Programms lernen die Kinder, wie sie sich gegen körperliche Gewalt und Respektlosigkeit wehren können: Auf dem Bild „ärgert“ ein Junge ein Mädchen, das diesen mit deutlichen Worten auffordert, damit aufzuhören | (Foto: M. Haendel / HAZ / Calenberger Zeitung)
Cheftrainer Oliver Henneke
Cheftrainer Oliver Henneke | (Foto: B. Gellert)
Bei der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern
Bei der Arbeit mit den Schülerinnen und Schülern | (Foto: B. Gellert)
Voller Einsatz
Voller Einsatz | (Foto: B. Gellert)
Ebenso begeistert wie die Kinder: (v. l. n. r.) Frau Förster (Förderverein AGS) Hannelore Krage und Brigitte Gellert (LC ‚Deister‘ Calenberger Land), Frau Geyer (Schulleiterin), Frau Breitenbach (Klassenlehrerin)
Ebenso begeistert wie die Kinder: (v. l. n. r.) Frau Förster (Förderverein AGS) Hannelore Krage und Brigitte Gellert (LC ‚Deister‘ Calenberger Land), Frau Geyer (Schulleiterin), Frau Breitenbach (Klassenlehrerin) | (Foto: LC 'Deister' Calenberger Land)

Barsinghausen.

An Grundschulen hierzulande herrsche mehr Gewalt als im EU-Durchschnitt, hat eine Studie der Uni Dortmund ergeben. Demnach habe bereits fast die Hälfte der Kinder der vierten Klassenstufen Erfahrungen mit physischer Gewalt, Ausgrenzung und Mobbing gemacht. Die Adolf-Grimme-Schule (AGS) in der Barsinghäuser Nordstadt setzt dieser Entwicklung seit Jahren ein Trainingsprogramm entgegen. Dessen Erfolg zeige sich auch im privaten Bereich, sagt die Vorsitzende des Fördervereins der Grundschule.

Wird die Gewalt an Schulen immer schlimmer oder wird das alles nur hochgekocht und Hänseleien und Schulhofprügeleien hat es schon immer gegeben? Wie immer liegt die Wahrheit vermutlich in der Mitte. Physische und psychische Gewalt zwischen Schülerinnen und Schülern sind keine Erfindungen des 21. Jahrhunderts. Dennoch haben laut Experten Qualität und Quantität in den vergangenen Jahren aus vielerlei Gründen zugenommen.

Diese Entwicklung war lange Zeit auch an der AGS zu beobachten. Die Grundschule unterrichtet vergleichsweise viele Kinder mit Migrationshintergrund und aus sogenannten „bildungsfernen“ Familien. Deshalb bestätigt Heike Förster, Vorsitzende des Fördervereins, dass die AGS durchaus so etwas wie eine Brennpunktschule sei. Den Trend habe die Schule aber bereits vor zehn Jahren gebrochen, als die damalige Sozialpädagogin der Schule mit dem Verein !Respect externe Hilfe anforderte. Dieser habe die Entwicklung zunehmender Gewalt mithilfe seines gleichnamigen Programms erfolgreich aufgehalten, erzählt Geyer.

Gewalt entsteht aus Hilflosigkeit

Der bundesweit agierende Verein arbeitet bereits zum neunten Mal an der AGS und will dort die sozial-emotionalen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler aller Klassenstufen stärken. Die Kinder sollen spielerisch und mit viel Spaß und Bewegung Selbstbehauptung, Team- und Konfliktfähigkeit sowie einen respektvollen Umgang miteinander erlernen. „Ziel ist es, anderen wertschätzend zu begegnen und Konflikte ohne körperliche Gewalt zu lösen“, erklärt Cheftrainer und Vereinsgründer Oliver Henneke.

Das Trainingsprogramm „Social-Skills“ verfolge mehrere Ziele, erklärt der Cheftrainer vor dem Training, das die Jungen und Mädchen einmal jährlich erhalten. Die Konfliktfähigkeit der Schülerinnen und Schüler, deren Empathievermögen, Toleranz und die Fähigkeit zu kommunizieren sollen verbessert werden.

„Gewalt entsteht aus Hilflosigkeit“, sagt Henneke. Ein kleiner Wortschatz und somit ein vermindertes Kommunikationsvermögen sorge für Hilflosigkeit, die wiederum zu verbaler und körperlicher Gewalt führe. „Deshalb sind Erstklässler hilfloser als Neuntklässler, und deshalb herrscht an Brennpunktschulen mehr Hilflosigkeit als an Gymnasien“, erklärt der !Respect-Gründer.

So lernen die Kinder etwa, wie man Mitschüler freundlich und respektvoll begrüßt: „Lächelt, schaut eurem Gegenüber in die Augen“, erklärt Henneke und testet anschließend, wie gut die Schülerinnen und Schüler dies bereits umgesetzt haben. „Begrüßt euch, macht danach die Augen zu und sagt mir, welche Augenfarbe euer Gegenüber hat“, lautet eine Aufgabe.

„Stopp!-Regel“ für mehr Respekt

Henneke zeigt den Kinder ebenfalls, was sie tun sollen, wenn sie in der Klasse oder auf dem Schulhof geärgert werden. In Zentrum steht die respektvolle Konfliktlösung. Anstatt zurückzuärgern oder zuzuschlagen, sollen die Kinder die sogenannte „Stopp!-Regel“ anwenden. Diese besagt zusammengefasst: Sage, was du nicht magst, und welche Handlung, die andere Person beenden soll – zum Beispiel: „Stopp, hör auf, mich zu schubsen!“ Wenn der Ärger weitergeht, soll man sagen: „Stopp, hör jetzt damit auf! Sonst gehe ich zur Aufsicht!“ Hört der oder die Ärgernde immer noch nicht auf, folgt der Satz „Jetzt reicht es mir! Jetzt gehe ich zur Aufsicht, weil du nicht auf mich hörst!“ Diese Ankündigung müsse man allerdings auch wahr machen, betont Henneke. „Sonst hat dein Gegenüber keinen Respekt vor dir.“

Das Social-Skills-Programm richtet sich an die gesamte Schulgemeinschaft – auch an die Lehrkräfte und Eltern. „Die Vorbilder der Kinder sind natürlich auch ihre Eltern, daher sollten auch diese geschult werden“, sagt Geyer. Allerdings sei die Bereitschaft der Eltern, sich über den Besuch eines Informationsabends zu beteiligen, nicht allzu hoch, bedauert die Schulleiterin.

Ziel des mehrjährigen Trainings ist es laut !Respect, das Schul- und Lernklima nachhaltig zu verbessern, was offenbar funktioniert, wie Geyer bestätigt. „Eine Verbesserung des Klimas ist nicht nur in der Schule, sondern auch zu Hause bemerkbar, wie uns Eltern erzählen. Das Kollegium ist zudem der Meinung, dass das !Respect-Team jedes Jahr an die Schule kommen und das Verhalten regelmäßig trainiert werden muss, weil ansonsten das Wissen und die Respektkultur wieder abflauen würden.“

Das Social-Skills-Programm gibt es allerdings nicht geschenkt. Die Schule gewann bereits vor neun Jahren die Stiftung der Sparda-Bank als Sponsor. Und auch der Lions Club „Deister“ Calenberger Land, der diesmal 1000 Euro beisteuerte, ist als Sponsor mit im Boot. Die Elternhäuser beteiligen sich mit jeweils 2 Euro an der Finanzierung, und ohne die Unterstützung des Fördervereins der Schule, könnte sich die AGS das Training nicht leisten.